Samstag, 20. Februar 2010

20. Feb - Rituale


Heute bei dem Seelsorgekurs haben wir über die Bedeutung von Rituale gesprochen.
Denn mit Hilfe von Ritualen sollen Ordnungen wiederhergestellt werden, wo sie nicht mehr als Struktur vorhanden sind.

Aber was genau sind Rituale – ich habe heute echt meine Probleme gehabt diesen (für mich) nebulösen Begriff klar zu definieren. Wo und was sind dann die Unterschiede zwischen Riten, Bräuche, Ritualen und Gewohnheiten bzw. Regeln – und wo spielen Förmlichkeiten, Konventionen und Etiketten eine kulturellen relevanten Rolle?

Der Soziologe Karl Gabriel definiert Rituale als „stilisierte, wiederholbare Handlungen an den typischen Übergängen und Brüchen des modernen Alltags“. Mit dieser Definition sagt Gabriel eigentlich, dass Rituale gesunde Gewohnheiten für die Seele sind. Denn manche Menschen sagen die Seele des Menschen wohnt in Gewohnheiten und Rituale geben der Seele eine Heimat. Es sind gesunde Gewohnheiten für das Denken, Fühlen, Wollen und Entscheiden. Rituale geben dem Menschen Sicherheit, weil sie ihm vertraut sind und eine Art Gerüst geben. Daher kann es sinnvoll sein, Gewohnheiten für sich zu entdecken und zu pflegen.

Bestandteile von Ritualen - nach Imber-Black (1993) haben Rituale folgende Bestandteile:

  • die Wiederholung: eine bestimmte Handlung wird ähnlich mehrfach begangen
  • das Besondere: das Tun wird aus dem Alltäglichen herausgehoben
  • die Ordnung: sie haben einen definierten Anfang und ein definiertes Ende
  • die Sinnträchtigkeit: sie drücken einen Sinn aus, der über die bloße Handlung hinausweist
  • das Tun: es wird nicht nur geredet
  • das Kollektive: sie werden gemeinsam vorbereitet und ausgeführt
Tony Campolo hat mal gesagt, wenn man etwas über die Kraft von Ritualen lernen will, muss man den Islam studieren. Oder als Protestant die katholische Kirche. (lach!)

Brian McLaren hat es so definiert: Ein Ritual ist etwas, das ich tue, ob ich mich danach fühle oder nicht, weil es mich an das bindet, wofür es steht. Oft ist das Zusammengehörigkeit und wahrscheinlich haben (und brauchen) alle Gruppen ihre Rituale.

Wikipedia sagt: Ein Ritual ist eine nach vorgegebenen Regeln ablaufende, meist formelle und oft feierlich-festliche Handlung mit hohem Symbolgehalt. Sie wird häufig von bestimmten Wortformeln und festgelegten Gesten begleitet und kann religiöser oder weltlicher Art sein (z. B. Gottesdienst, Begrüßung, Hochzeit, Begräbnis, Aufnahmefeier usw.). Ein festgelegtes Zeremoniell (Ordnung) von Ritualen oder rituellen Handlungen bezeichnet man als Ritus.

Laut C. G Jungs haben Rituale drei verschiedene Funktionen

  • Sie transformieren Lebensenergie in geistige Energie
  • Sie stiften Sinn
  • Sie haben eine heilende Wirkung
Ritualen geben Identität weil sie Geborgenheit, Verbundenheit, Zugehörigkeit und das Gefühl von Heimat vermitteln, weil sie einen Ausdruck der Lebenskultur und Lebensgefühl sind.

Ritualen stiften in der menschlicher Miteinader und die individuellen Verhalten Sinn und geben Sicherheit im Umgang mit einander.

Ein Ritual ist normalerweise kulturell eingebunden oder bedingt. Es bedient sich strukturierter Mittel, um die Bedeutung einer Handlung sichtbar oder nachvollziehbar zu machen oder über deren alltägliche Alltagsbedeutung hinaus weisende Bedeutungs- oder Sinnzusammenhänge symbolisch darzustellen oder auf sie zu verweisen.

Indem Rituale auf vorgefertigte Handlungsabläufe und altbekannte Symbole zurückgreifen, vermitteln sie Halt und Orientierung. Das Ritual vereinfacht die Bewältigung komplexer lebenswestlicher Situationen, indem es durch die Wiederholung von sehr aufgeladene, krisenhafte Ereignisse in routinierte Abläufe überführt“. Auf diese Weise erleichtern Rituale den Umgang mit der Welt, das Treffen von Entscheidungen und die Kommunikation. Durch den gemeinschaftlichen Vollzug besitzen viele Rituale auch einheitsstiftenden und einbindenden Charakter und fördern den Gruppenzusammenhalt und die Verständigung untereinander.

Besonders die bedeutungsstiftende Kraft von Ritualen für den sozialen Zusammenhalt von Gruppen soll im therapeutischen Raum nutzbar gemacht werden. Auf symbolische Weise wird der Kern der Gesamtproblematik herausgearbeitet. Rituale und symbolische Handlungen (z. B. eine Versöhnungsgeste) unterstützen den Therapieerfolg etwa in der Familientherapie und können auch einen bindungsverstärkenden Einfluss in der Paarbeziehung ausüben.

Rituale ermöglichen darüber hinaus die symbolische Auseinandersetzung mit Grundfragen der menschlichen Existenz, etwa dem Bedürfnis nach zwischenmenschlicher Beziehung, dem Streben nach Sicherheit und Ordnung, dem Wissen um die eigene Sterblichkeit oder dem Glauben an eine transzendente Wirklichkeit (z. B. durch Freundschaftsrituale, Staatsrituale, Begräbnisrituale, Grabbeigaben).

Manchmal verkehren sich ihre Wirkungen aber auch ins Negative, Rituale werden als abgegriffen, überholt, sinnentleert oder kontraproduktiv empfunden und einer Ritualkritik unterzogen.

Ich möchte diesen Blog Eintragung beenden mit folgende Gedanken von C.v. Paczynski, aus dem Buch „Quelle zum Licht"

Wir brauchen Ritualen in unserer hektischen Zeit wahrscheinlich mehr denn je als Inseln des Rückzugs, der Sicherheit und Geborgenheit. Sie strukturieren unsere Zeit und damit unser Leben

Durch die ihnen eingepflanzte Ordnung, die immer gleichen Handlungsabläufe, vermitteln sie Beständigkeit. Rituale stellen Verbindungen her zwischen innen und außen, oben und unten, zwischen Mensch und Transzendenz, zwischen Mensch und Natur. Sie stiften Gemeinschaft und stellen den Einzelnen in einen größeren Sinnzusammenhang.

Rituale beinhalten Symbole, deren Sinn oftmals durch Worte nicht ausgedrückt werden und deren Wirkung daher nicht beschrieben werden kann. Die Symbolik bewusst erlebter Rituale verweist auf die Existenz anderer Dimensionen und Qualitäten von Zeit und Raum, sie verweist uns auf unsere gesamtmenschliche Vergangenheit und damit auf unsere Freiheit, den Erkenntnissen entsprechend unsere Zukunft zu gestalten.

Ich denke, die Rückbesinnung auf den Wert sinnvoller Rituale ist gerade in unserer Zeit unerlässlich. Nutzen wir doch die Kraft der Rituale für unser eigenes Leben wie auch für die Gemeinschaft. Beginnen wir damit, unsere Handlungen zu hinterfragen. Vielleicht gelingt es uns ja mit der Zeit, ritualisierte Handlungen und unbewusste Rituale im Alltag wieder mit Bewusstheit zu füllen, um ihnen einen neuen Sinn zu geben.

1 Kommentar:

  1. Ich glaube, in unseren Freikirchen ist uns der Sinn für und die Kraft durch Rituale, durch die oft einseitige Betonung des frei Inspirierten, verloren gegangen. In macher kirchlicher Liturgie findet sich diese Kraft wieder. Hier wäre eine Rückbesinnung wünschenswert!

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