Montag, 27. Januar 2014

27 Jan - miteinander reden - von Thun


Letzte Woche habe ich im Auto die 4 CD's zum Thema "miteinander reden: Störungen und Klärungen" von Friedemann Schulz von Thun.

Die vier Seiten einer Nachricht

Das übergeordnete Ziel bei dieser Modellbildung besteht darin, zu beobachten, zu beschreiben und zu modellieren, wie zwei Menschen sich durch ihre Kommunikation zueinander in Beziehung setzen. Dabei wendet Schulz von Thun sich den Äußerungen (den „Nachrichten“) zu. Diese können aus vier unterschiedlichen Richtungen angesehen und unter vier unterschiedlichen Annahmen gedeutet werden – dies sind die vier Aspekte oder Ebenen, die Schulz von Thun als „Seiten einer Nachricht“ bezeichnet:

  1. Auf die Sache bezogener Aspekt: die beschriebene Sache („Sachinhalt“, „Worüber ich informiere“)
  2. Auf den Sprecher bezogener Aspekt: dasjenige, was anhand der Nachricht über den Sprecher deutlich wird („Selbstoffenbarung“, „Was ich von mir selbst kundgebe“)
  3. Auf die Beziehung bezogener Aspekt: was an der Art der Nachricht über die Beziehung offenbar wird („Beziehung“, „Was ich von dir halte oder wie wir zueinander stehen“)
  4. Auf die beabsichtigte Wirkung bezogener Aspekt: dasjenige, zu dem der Empfänger veranlasst werden soll („Appell“, „Wozu ich dich veranlassen möchte“)






Auf diese Weise kann die „Nachricht als Gegenstand der Kommunikationsdiagnose“ verwendet werden Störungen und Konflikte kommen zustande, wenn Sprecher und Hörer die vier Ebenen unterschiedlich deuten und gewichten. Das führt zu Missverständnissen und in der Folge zu Konflikten. Ein bekanntes, von Schulz von Thun in seinem Hauptwerk Miteinander Reden zuerst verwendetes Beispiel ist ein Paar im Auto vor der Ampel. Die Frau sitzt am Steuer, und der Mann sagt „Du, die Ampel ist grün!“ Die Frau antwortet: „Fährst du oder fahre ich?“. 

Die Äußerung kann in dieser Situation auf den vier Ebenen folgendermaßen verstanden werden: als Hinweis auf die Ampel, die gerade auf Grün geschaltet hat (Sachebene); als Aufforderung, loszufahren (Appell-Ebene), als Absicht des Beifahrers, der Frau am Steuer zu helfen, oder auch als Demonstration der Überlegenheit des Beifahrers über die Frau (Beziehungsebene); als Hinweis darauf, dass der Beifahrer es eilig hat und ungeduldig ist (Selbstoffenbarung). So kann der Beifahrer das Gewicht der Nachricht auf den Appell gelegt haben. Die Fahrerin könnte die Aussage des Beifahrers dagegen als Herabsetzung oder Bevormundung auffassen.

In Bezug auf den Hörer und seine Gewohnheiten erweitert Schulz von Thun das Vier-Seiten-Modell zu einem „Vier-Ohren-Modell“. Je ein Ohr steht für die Deutung einer der Aspekte: Das „Sach-Ohr“, das „Beziehungs-Ohr“, das „Selbstoffenbarungs-Ohr“ und das „Appell-Ohr“.
Sachebene / Sachinhalt
Auf der Sachebene vermittelt der Sprecher Daten, Fakten und Sachverhalte. Aufgaben des Sprechers sind Klarheit und Verständlichkeit des Ausdrucks. Mit dem „Sach-Ohr“ prüft der Hörer die Nachricht mit den Kriterien der Wahrheit (wahr/unwahr), der Relevanz (von Belang/belanglos) und der Hinlänglichkeit (ausreichend/ergänzungsbedürftig). In einem eingespielten Team verläuft dies meist problemlos.

Selbstoffenbarung
Jede Äußerung bewirkt eine nur teilweise bewusste und beabsichtigte Selbstdarstellung und zugleich eine unbewusste, unfreiwillige Selbstenthüllung. Jede Nachricht kann somit zu Deutungen über die Persönlichkeit des Sprechers verwendet werden. Das „Selbstoffenbarungs-Ohr“ des Hörers lauscht darauf, was in der Nachricht über den Sprecher enthalten ist (Ich-Botschaften).
Beziehungsebene
Auf der Beziehungsebene kommt zum Ausdruck, wie der Sprecher und der Hörer sich zueinander verhalten, und wie sie sich einschätzen. Der Sprecher kann – durch die Art der Formulierung, seine Körpersprache, Tonfall und anderes – Wertschätzung, Respekt, Wohlwollen, Gleichgültigkeit, Verachtung in Bezug auf den Anderen zeigen. Abhängig davon, was der Hörer im „Beziehungs-Ohr“ wahrnimmt, fühlt er sich entweder akzeptiert oder herabgesetzt, respektiert oder bevormundet.
Appell
Wer sich äußert, will in der Regel auch etwas bewirken. Mit dem Appell will der Sprecher den Hörer veranlassen, etwas zu tun oder zu unterlassen. Der Versuch, Einfluss zu nehmen, kann offen oder verdeckt sein. Offen sind Bitten und Aufforderungen. Verdeckte Veranlassungen werden als Manipulation bezeichnet. Auf dem „Appell-Ohr“ fragt sich der Empfänger: „Was soll ich jetzt denken, machen oder fühlen?“

Beispiel für eine durch Missverständnisse gestörte Kommunikation
Um Kommunikation zu beschreiben, die durch Missverständigung auf den verschiedenen Ebenen gestört wird, beschreibt Schulz von Thun als Beispiel die folgende Situation: Ein Mann und eine Frau sitzen beim Abendessen. Der Mann sieht Kapern in der Soße und fragt: „Was ist das Grüne in der Soße?“ Er meint damit auf den verschiedenen Ebenen:
Sachebene: Da ist was Grünes.
Selbstoffenbarung: Ich weiß nicht, was es ist.
Beziehung: Du wirst es wissen.
Appell: Sag mir, was es ist!
Die Frau versteht den Mann auf den verschiedenen Ebenen folgendermaßen:
Sachebene: Da ist was Grünes.
Selbstoffenbarung: Mir schmeckt das nicht.
Beziehung: Du bist eine miese Köchin!
Appell: Lass nächstes Mal das Grüne weg!
Die Frau antwortet gereizt: „Mein Gott, wenn es dir hier nicht schmeckt, kannst du ja woanders essen gehen!“
Nachrichten und darin enthaltene Botschaften
Nachrichten enthalten für Schulz von Thun explizite und implizite Botschaften. Beispiele für explizite Botschaften sind auf der Sachebene: „Es ist sehr heiß draußen“; auf der Ebene der Selbstoffenbarung: „Ich schäme mich“; auf der Beziehungsebene: „Du gefällst mir“, auf der Ebene der Beeinflussung: „Hol ein Bier!“. Implizit können die gleichen Botschaften beispielsweise aus dem folgenden Verhalten interpretiert werden: Jemand betritt den Raum und wischt sich die feuchte Stirn ab; jemand weicht dem Blick des anderen aus; jemand umarmt sein Gegenüber; jemand sagt, das Bier sei alle.

Nachrichten können als kongruent und inkongruent angesehen werden. Kongruent sind Nachrichten, wenn sie in sich stimmig sind, wenn also alle Signale auf allen Ebenen kompatibel sind. Von inkongruenten Nachrichten spricht man, wenn sprachliche und nichtsprachliche Signale widersprüchlich sind. An die vorgenannten Beispiele anknüpfend wären Nachrichten unstimmig, wenn der die Hitze Beklagende mit hochgeschlagenem Mantelkragen einträte, der vermeintlich Beschämte sein Gegenüber unverfroren mustert, der Sympathie Bekundende deutlich Distanz hält oder der einen Mangel an Bier Beklagende noch einige Flaschen neben sich auf dem Boden stehen hat.


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