Samstag, 8. Februar 2014

08 Feb – tiefGang - Vergebung mit Dr Martin Grabe


Dr Martin Grabe hat uns am Wochenende sehr systematisch und tiefgründig in das Thema „Vergebung“ hineingeführt. Besonders der Austausch über Erfahrungen mit gelungener Vergebung bei einer schweren zwischenmenschlichen Kränkung sowie noch bestehende Ärgernisthemen in unserem Leben haben uns weiter gebracht.

Wir haben drei Möglichkeiten kennen gelernt, bewusst mit subjektiv erlebtem Unrecht umzugehen: Verstehen, Relativierung und Ausgleich – wobei der Ausgleich durch Wiedergutmachung, durch Rache oder am besten durch Delegation des Ausgleichs geschehen kann. Delegation auf der spirituellen Ebene bedeutet, dass ein Mensch seine Racheansprüche an Gott abgibt. Damit ist er endlich die Verbindung zum Täter los, die in Rachefantasien und Forderungen nach Wiedergutmachung bestand und ihm immer weiter schadete. Voraussetzung ist Vertrauen in die größere Übersicht Gottes. Noch sind wir mitten in diesem Thema und dennoch hat Jesus schon viel Versöhnung zwischen einzelnen Menschen geschenkt.


Menschen vergeben einander - Bibeltext: 1. Mose 44,33 bis 45,8 - Die Vergebung Josefs

33 (Juda sagte:) Darum lass deinen Knecht hier bleiben an des Knaben statt als Sklaven meines Herrn und den Knaben mit seinen Brüdern hinaufziehen.
34 Denn wie soll ich hinaufziehen zu meinem Vater, wenn der Knabe nicht mit mir ist? Ich könnte den Jammer nicht sehen, der über meinen Vater kommen würde.
Josef gibt sich seinen Brüdern zu erkennen
1 Da konnte Josef nicht länger an sich halten vor allen, die um ihn her standen, und er rief: Lasst jedermann von mir hinausgehen! Und stand kein Mensch bei ihm, als sich Josef seinen Brüdern zu erkennen gab.
2 Und er weinte laut, dass es die Ägypter und das Haus des Pharao hörten,
3 und sprach zu seinen Brüdern: Ich bin Josef. Lebt mein Vater noch? Und seine Brüder konnten ihm nicht antworten, so erschraken sie vor seinem Angesicht.
4 Er aber sprach zu seinen Brüdern: Tretet doch her zu mir! Und sie traten herzu. Und er sprach: Ich bin Josef, euer Bruder, den ihr nach Ägypten verkauft habt.
5 Und nun bekümmert euch nicht und denkt nicht, dass ich darum zürne, dass ihr mich hierher verkauft habt; denn um eures Lebens willen hat mich Gott vor euch hergesandt.
6 Denn es sind nun zwei Jahre, dass Hungersnot im Lande ist, und sind noch fünf Jahre, dass weder Pflügen noch Ernten sein wird.
7 Aber Gott hat mich vor euch hergesandt, dass er euch übrig lasse auf Erden und euer Leben erhalte zu einer großen Errettung.
8 Und nun, ihr habt mich nicht hergesandt, sondern Gott; der hat mich dem Pharao zum Vater gesetzt und zum Herrn über sein ganzes Haus und zum Herrscher über ganz Ägyptenland.



Kleinigkeiten sind schnell vergessen. Hier brauchen wir eigentlich noch nicht das Wort Vergebung zu bemühen.
Bei schwereren Kränkungen und Verletzungen aber ist Vergebung ein Prozess, der übrigens in manchen Aspekten dem Prozess der Trauerarbeit gleicht. Der Anfang ist da, wo ein Betroffener spürt, dass er den Zustand ohne Vergebung nicht mehr will. Erst dann, wenn Menschen eine Sehnsucht nach einem Zustand ohne Groll haben, können sie vergeben. Diese Sehnsucht zu haben, ist gar nicht selbstverständlich. Ein Mensch, der verletzt wurde, durchläuft immer zunächst eine Phase, in der er sich selbst in seinem „gerechten“ Zorn in Gedanken aufwertet und den anderen herabsetzt. Wo grundsätzlich eine gute Beziehung besteht – wie in Freundschaften und Partnerschaften – kommt es darauf an, diese Phase bald wieder zu überwinden. Und beide Partner wissen auch schon während eines Streits, dass sie es eigentlich viel besser miteinander haben könnten. Der Wunsch danach taucht schnell wieder auf.

Bei manchen sehr schweren Verletzungen allerdings kann es nicht mehr darum gehen, dass ein Opfer sich danach sehnt, wieder ein tolles und liebevolles Verhältnis zu dem zu haben, der ihm Böses angetan hat, vielleicht Schaden fürs Leben zugefügt hat. Aber auch da beginnt ein Vergebungsprozess erst da, wo eine Geschädigte bzw. ein Geschädigter es satt hat, immer wieder von Hass- und Rachefantasien gegen den Täter heimgesucht zu werden. Hass bindet ähnlich stark wie Liebe. Und es geht in der Vergebung darum, die Kette, die ein Opfer an den Täter fesselt, (endlich) loszuwerden.

Grundsätzlich gibt es drei Wege der Vergebung, die ein Mensch beschreiten kann. Es sind:

Das Verstehen: je mehr ich über die Hintergründe dessen verstehe, was mir da gerade ein anderer angetan hat, desto weniger halte ich es für „reine Bosheit“. Wenn ich mich um Verstehen mühe, bleibt manchmal nur noch ein kleiner Rest, den ich wirklich vergeben muss.

Die Relativierung: wenn ich das Unrecht, das mir zugefügt wurde, dem Unrecht gegenüberstelle, das ich mir schon selbst in einer bestimmten Hinsicht geleistet habe, fällt mir das Vergeben leichter. Je stärker ich mich allerdings in einer Haltung der Selbstgerechtigkeit eingerichtet habe, desto weniger steht mir dieser Weg offen. Ein eindrucksvolles Beispiel für nicht gelungene Relativierung erzählt Jesus in Matthäus 18, 21 im Gleichnis von dem verschuldeten Verwalter. In diesem Gleichnis empfiehlt Jesus mehr, als eine innerweltliche Relativierung. Er schlägt vor, die gesamte, von Gott vergebene eigene Lebensschuld zum Relativieren zu benutzen.

Die Delegation: Gemeint ist die Delegation der gesamten Rechtssache, die ungeklärt und vielleicht unklärbar zwischen Menschen steht, an Gott. Voraussetzung ist Vertrauen in seine größere Übersicht und Gerechtigkeit, dass er für Recht sorgen wird, da, wo ich es selbst nicht mehr kann. Diese Möglichkeit steht Opfern sehr schwerer Verletzungen auch dann noch offen, wenn die beiden anderen Wege der Vergebung nicht möglich sind. In Römer 12,19 schlägt Paulus dieses Vorgehen ausdrücklich vor. Über den Weg der Delegation – vielleicht unterstützt von einem Seelsorger – haben schon viele Menschen Befreiung von negativen Gefühlen, Hass- und Rachegedanken gefunden, die sie zum Teil jahrelang verfolgt hatten.

Trotz allen Wissens um Vergebung - wo sie geschieht, ist es immer ein kleines Wunder. Eine kleine oder große innere Überwindung, ein Wollen ist immer nötig. Ich gebe immer etwas her. Und das geht leichter, wenn ich gerade verstehe, dass ich dafür Gottes Liebe eintauschen kann.

Näheres zu diesen Wegen der Vergebung findet man in dem Buch: Lebenskunst Vergebung

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