Montag, 14. Juni 2010

14. Juni - Sozialpsychologie und Priming


Die Korrekturlesung von einer 35-seitige Master’s Thesis in Sozialpsychologie auf Englisch hat heute den größten Teil meines Tages verschlungen. Hier nun eine Kostprobe:

Der Implizite Assoziationstest (IAT) ist ein implizites Verfahren der Sozialpsychologie zur Messung von Assoziationsstärken zwischen mentalen Repräsentationen von Objekten im Gedächtnis.

Dem IAT liegt die Annahme zugrunde, dass Informationen im Gedächtnis mittels eines assoziativen Netzwerks organisiert sind. Werden Knoten des Netzwerks durch bspw. perzeptuelle Informationen aktiviert, breitet sich die Aktivierung innerhalb des Netzwerks aus, assoziierte Knoten werden somit ebenfalls aktiviert. Es konnte gezeigt werden, dass Personen beispielsweise schneller auf das Wort Krankenschwester reagieren, wenn kurz vorher das Wort Doktor präsentiert wurde, und langsamer, wenn vorher bspw. das Wort Baum präsentiert wurde. Erklärt wird dies durch die Aktivierungsausbreitung mittels der assoziativen Verbindung von Krankenschwester und Doktor.

Diesen Effekt nennt man semantisches Priming. Es konnte auch gezeigt werden, dass Personen bei Kategorisierungsaufgaben schneller reagieren, wenn vor dem zu bewertenden Wort den Personen ein Wort präsentiert wurde, das die gleiche Valenz (d.h. den affektiven Wert, z.B. positiv oder negativ) aufweist. Diesen Effekt nennt man affektives Priming. Er wird als Beleg für automatische Bewertung von Einstellungsobjekten betrachtet.

Inhalte des impliziten Gedächtnisses beeinflussen das Verhalten, ohne dass man sich dessen bewusst wird. Menschen bemerken zum Beispiel ihre eigenen Vorurteile nicht. Aufbauend auf dem lexikalischen Priming-Paradigma haben Soziologen eine objektive Messmethode für Einstellungen entwickelt. Die Probanden sollen Wörter (Target) als positiv oder negativ bewerten, nachdem ihnen zuvor ein anderer Reiz (Prime) subliminal dargeboten wurde. Dies kann ein anderes emotionales Wort sein oder auch ein Foto. Der Prime-Reiz aktiviert durch Assoziation gleich bewertete Gedächtnisinhalte. Die Reaktionszeit ist kürzer, wenn Prime und Target die gleichen Affekte auslösen, entsprechend länger bei unterschiedlicher Bewertung.

Beispiel: Das Wort "freundlich" wird schneller bewertet (positiv), wenn der Prime-Reiz das Wort "schön" ist, als wenn der Prime-Reiz das Wort "hässlich" ist (inkongruenter Affekt). Derselbe Effekt tritt auf, wenn man als Prime-Reiz Fotos von Angehörigen der eigenen oder einer anderen Ethnie verwendet. Auch wenn die Probanden sich selbst für vorurteilsfrei halten, assoziieren sie signifikant häufiger Fotos von Menschen der eigenen Gruppe mit positiv, die Fotos anderer Gruppen mit negativ besetzten Wörtern.

Der IAT wird am Computer durchgeführt. Die ersten beiden Phasen werden zur Einübung der Kategorisierungsaufgabe genutzt. In der ersten Phase werden den Personen Wörter präsentiert, die sie mittels Tastendruck als positiv oder negativ kategorisieren sollen. In der zweiten Phase sollen die Personen Vornamen nach männlich oder weiblich kategorisieren. In der dritten Phase werden nun die Aufgaben aus den ersten beiden Phasen kombiniert, und die Antworttasten sind doppelt belegt. Auf positive Wörter und weibliche Namen sollen die Personen mit der linken Taste reagieren, auf negative Wörter und männliche Namen mit der rechten Taste.

In der vierten Phase wird die Tastenkombination bezüglich der Zielkonzepte vertauscht, die Personen sollen nun mit der linken Taste auf männliche Namen reagieren und mit der rechten Taste auf weibliche Namen. Die fünfte Phase gleicht der dritten Phase, mit dem Unterschied, dass nun die Personen auf positive Wörter und männliche Namen mit der linken Taste reagieren sollen und auf negative Wörter und weibliche Namen mit der rechten Taste.

Die Auswertung erfolgt durch den Vergleich der Reaktionszeiten in der dritten Phase mit denen in der fünften Phase. Personen reagieren in der Phase durchschnittlich schneller, die für sie eine kompatible Tastenzuordnung aufweist (bspw. positiv und weibliche Namen). Der IAT-Effekt wird als Maß der Stärke assoziativer Verknüpfungen zwischen den Zielkonzepten und den Attributausprägungen interpretiert.

Zum Glück interessieren mich solche Themen, sonst wäre gestern ein ziemlich langweiliger Tag gewesen. Stattdessen habe ich viel gelernt und schon wieder wurden meiner Horizonten erweitert.

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