Mittwoch, 23. Juni 2010

23. Juni - Linked - The New Science of Networks


Es ist dem Siegeszug des "Internets" zu danken, dass Begriffe wie Netzwerk oder Vernetzung heute nicht mehr nur zum Fachvokabular von Informatik gehören, sondern in jüngster Zeit auch in den Kultur- und Sozialwissenschaften als Beschreibung bekannt geworden sind.

Das Buch “Linked - The New Science of Networks” von Albert-László Barabás habe ich nun durch und am Anfang jeder Netzwerk-Theorie stehen zwei Fragen. Zunächst ganz generell: Was sind Netzwerke überhaupt? Die Antwort hierauf fällt leicht: Netzwerke werden beschrieben als Systeme aus Knoten ("nodes"), die sich durch Verbindungen ("links") zu komplexen Strukturen vereinen. Man kann hier genauso gut an das Netz von Stromleitungen zwischen verschiedenen Kraftwerken denken oder aber auch an ein virtuelles Netz, mit welchem etwa der Infektionsweg ansteckender Krankheiten beschrieben wird.

Die zweite Frage nach dem spezifischen Aufbau, also nach der Struktur von Netzwerken ist ungleich schwerer zu beantworten. Traditionellerweise folgte man hier der These der beiden ungarischen Mathematiker Erdös und Rényi, wonach Netzwerke zufällig und ungeordnet entstehen und daher die Verteilungswahrscheinlichkeit der Links zwischen den Knoten im gesamten System gleich groß ist.

Dieser "random"-These widerspricht Barabási nun aber für die von ihm untersuchten natürliche Netze grundsätzlich: Verhielte es sich so, wie Erdös und Rényi behaupten, dann müßten alle Knoten eines bestimmten Netzes über eine jeweils berechenbare Zahl an Links mit allen anderen Knoten verbunden sein. Bekannt geworden ist diese Überlegung in den sechziger Jahren als "small world"-Phänomen: Alle Amerikaner seien über eine Kette von nur fünf oder sechs Bekanntschaften miteinander zusammengeschlossen.

Doch Barabásis genauer Blick auf solche Netze erweist, daß dieser Zufälligkeit im Aufbau des Netzes enge Grenzen gesetzt sind: So stehen im Internet zum Beispiel einer immensen Vielzahl nur schwach frequentierter Websites einige wenige gegenüber, die tatsöchlich jedermann kennt und nutzt. Eine solche klare Hierarchie führt zur Ausbildung von einigen wenigen Zentren ("hubs"), um die herum sich die gesamte Struktur des Netzes organisiert. Das heißt: Je entwickelter ein Netzwerk ist, umso deutlicher lässt sich zwischen Zentrum und Peripherie unterscheiden.

Der Faktor Zeit spielt hier eine wichtige Rolle: Je früher ein Knoten im System des Netzes bereits angelegt wurde, um so größer sind seine Chancen, sich selbst zu einem solchen machtvollen Zentrum auszubilden, denn neu hinzukommende Links siedeln sich nach dem Prinzip "rich get richer" vorzugsweise an bereits existierende Zentren an.
Der schöne Mythos vom demokratischen und durch grenzenlose Freiheit bestimmten Internet sollte angesichts dieser Neigung der Netze zur allmählichen und schleichenden Monopolbildung wohl noch einmal neu befragt werden. Unübersehbar sind Netze damit zugleich auch ein effizientes Instrument zur Verteilung von Einfluß und Macht.

Barabási zeigt im übrigen aber einleuchtend am Beispiel der Suchmaschine Google, daß man auch als "new kid on the block" in einem längst etablierten und in seinen Strukturen schon stark ausgeprägten Netz immer dann eine Chance hat, sich zu behaupten, wenn man auffallend attraktiver ist, als alle anderen es sind. Nur so konnte sich Google als spät gestartete und zunächst völlig unbekannte Website innerhalb kürzester Zeit gegenüber allen anderen Konkurrenten zu einem der populärsten und meistgenutzten "hubs" des Internets überhaupt mausern.

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