Samstag, 25. Februar 2012

25. Feb - Hochsensibilität und VSTN


Der Verein für Seelsorge und Therapie in Norddeutschland e.V. (VSTN) führt jedes Jahr einen Freundestag durch. Diesmal mit dem Thema „Sei doch nicht so empfindlich!“ in der Christuszentrum Itzehoe. Hochsensibilität ist zwar keine Krankheit, aber hochsensible Menschen stehen in der Gesellschaft unter einem enorm hohen Anpassungsdruck, der krankmachend wirken kann. Deshalb widmet sich auch der VSTN diesem Thema.

Aber was ist Hochsensibilität?

Es gibt Menschen, die feinere Sinne haben als die meisten anderen. Sie nehmen Dinge wahr, die anderen entgehen. Auf sie stürmt viel mehr ein. Obendrein denken sie auch gründlicher nach über das Wahrgenommene.

Erlebtes klingt länger in ihnen nach – viel länger – und es rührt sie tiefer an. Oft wissen sie nicht, wie sie mit dem Ansturm der Wahrnehmungen und Gefühle umgehen sollen. Sie hören immer wieder: „Sei doch nicht so empfindlich!“ oder: „Leg dir doch ein dickeres Fell zu!“ – doch das können sie nicht, ohne sich im Innersten zu verbiegen

Hochsensible Menschen sind anders als die Mehrheit. Sie sind nicht krank, aber sie leiden unter ihrem Anderssein. Unsere laute und schnelle Welt setzt sie unter einen hohen Anpassungsdruck.

Der Referent Reimar Lüngen aus Hamburg, der selbst hochsensibel ist, hat sich darauf spezialisiert hochsensible Menschen durch beruflichen Wandel zu begleiten.

Seine These: Hochsensibilität ist kein Fluch, sondern eine ganz besondere Gabe, aus der eine Reihe besonders wertvoller Stärken entstehen.

Unsere Gesellschaft braucht diese Stärken. Leider lassen sich hochsensible Menschen von der Lautstärke und dem Tempo der anderen leicht einschüchtern und ziehen sich zurück. Umgekehrt nehmen die anderen kaum Notiz von den Beobachtungen der Hochsensiblen.

Hochsensibilität ist ein Phänomen, bei dem Betroffene stärker als der Populationsdurchschnitt auf Reize reagieren, diese viel eingehender wahrnehmen und verarbeiten. Bis heute existiert jedoch keine eindeutige und anerkannte neurowissenschaftliche Definition des Phänomens.

Die wissenschaftliche Aufarbeitung der Hochsensibilität wurde von der US-amerikanischen Psychologin Elaine N. Aron 1997 erstmals eingeleitet, ihre Werke gelten bis heute als der Grundstein der HS-Forschung.

Plastisch ließe sich sagen, dass die Sinnesorgane zwar nicht mehr Informationen als durchschnittlich aufnehmen, dafür aber weniger Sinneseindrücke aus der Wahrnehmung herausgefiltert werden. Gemäß Aron sei ein Prozentsatz von 10-20% hochsensibel.

Da die Reize tiefer, intensiver und detaillierter wahrgenommen werden und gespeichert, wird oft diese Eigenschaft mit bloßer Nervosität und Empfindlichkeit verwechselt, jedoch ist die Ähnlichkeit rein äußerlicher Natur.

HSP (hochsensibile Menschen) fallen in der Gesellschaft dadurch auf, dass sie selbst scheinbar unbedeutenden Sachen große Bedeutung beimessen. Der Hang zur Gewissenhaftigkeit, Detailverliebtheit und die Wertschätzung der sozialen Kommunikation erfordert Zeit, Akribie und eine ruhige Atmosphäre, die in modernen Zeiten leider nicht immer gegeben ist.

Bei Leistungsdruck und Tätigkeiten, die schnelle Entscheidungen erfordern, sind die HSP sehr häufig überfordert, eben aufgrund der Unmöglichkeit der geistigen Reduktion auf nur eine Aufgabe oder einen Wahrnehmungsbereich.

Aber auch im privaten Bereich ist Hochsensivität nicht eindeutig als Vorteil zu betrachten; zwar bringt HS sehr enge zwischenmenschliche Beziehungen mit sich, dennoch ist es häufig der Fall, dass HSP bei Nicht-Hochsensitiven auf Unverständnis stoßen, nicht zuletzt, weil Hochsensitive dem Verhalten des Anderen oft zu viel Bedeutung beimessen und daraus mitunter sehr weitreichende Schlüsse ziehen.

Es gibt jedoch mindestens genauso viele HS-Eigenschaften, welche heute als positiv bewertet werden. HSP fallen oft schon im Kindergarten auf, da sie meistens über eine sehr ausgeprägte und blühende Fantasie und komplexe "innere Welten" verfügen, sie haben oft herausragende soziale und psychologische Fähigkeiten und beherrschen mitunter sehr ungewöhnliche Methoden zur Lösung von Problemen, bei denen die Standardmethoden versagen (z.B. Schlichtung von komplexen Konflikten).

Das ausgeprägte Langzeitgedächtnis, welches meist recht früh in der Kindheit einsetzt, erlaubt ihnen umfangreiches Wissen anzuhäufen. Die meist stark ausgeprägte Orientierung in Raum und Zeit sowie scharfe Intuition bringen Vorteile mit sich, insbesondere für diejenigen Berufe, wo behutsames Handeln in unübersichtlichen Situationen (z.B. Botschafter, Psychologe) erwünscht ist.

Ich habe eindeutig nicht das Problem mit Hochsensibilität – vielleicht habe ich eher das Problem mit der Grobsensibilität :-)

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