Thorsten und ich haben heute unsere letzten Seminar Einheit für Seelsorge jetzt am Wochenende in Kiel gehabt.
Heute Abend haben wir uns mit dem Thema Persönlichkeitsentwicklung und insbesondere mit den Acht Kommunikationsstile nach F. Schulz von Thun
In seinem Buch "Miteinander reden" geht Friedemann Schulz von Thun auf die Unterschiedlichkeit in der menschlichen Persönlichkeit ein. Er stellt acht Kommunikations- und Interaktionsstile vor, die mit bestimmten Persönlichkeitsanteilen verbunden sind.
Jeder Stil beschreibt eine bestimmte Art und Weise zu sprechen und mit anderen Menschen umzugehen. Jeder Stil hat seine Stärken und Schwächen. Ausgehend von den Besonderheiten jedes Stils werden Persönlichkeitsentwicklung abgeleitet. Dabei geht der Author davon aus, dass die meisten Menschen Tendenzen unterschiedlicher Stile in ihrem persönlichen Kommunikationsstil vereinen.
Hier nun die Acht Kommunikationsstile nach F. Schulz von Thun
Der bedürftig-abhängige Stil
Beschreibung
Dieser Kommunikationsstil zielt darauf ab, von anderen Hilfe und Unterstützung zu bekommen. Dafür stellt er sich selbst als schwach, hilflos und allein nicht lebensfähig dar. Seinen Gegenübern gibt er dagegen das Gefühl stark und kompetent zu sein.
Mögliche Herkunft
Dieser Stil hat sich vielleicht herausgebildet, weil dem Bedürftig-Abhängigen als Kind wenig zugetraut und er überbehütet wurde. Möglicherweise ist das Kind aber auch zu wenig umsorgt worden und versucht nun als Erwachsener diese Umsorgung nachzuholen. Einen Einfluss auf die Herausbildung dieses Stils kann auch das Rollenbild vom „schwachen Geschlecht“ haben.
Interaktion mit anderen
Der Bedürftig-Abhängige befindet sich typischerweise in Beziehung zum helfenden oder zum sich distanzierenden Stil. In der ersten Konstellation scheinen sich Schützling und Helfer gut zu ergänzen. Problematisch ist aber, dass der Bedürftig-Abhängige immer hilfloser werden und sein Selbstvertrauen weiter sinken wird. In der Beziehung zum sich distanzierenden Stil wird das Bedürfnis des Abhängig-Bedürftigen überhaupt nicht erfüllt. Deswegen wird er immer stärker um Hilfe und Umsorgtwerden betteln.
Entwicklungsrichtung
Eine Stärke des Abhängig-Bedürftigen ist es, andere Menschen um Hilfe bitten und ihre Hilfe annehmen zu können. Weiter kann ihm das „Jammern“ zur Entlastung dienen. Als Entwicklungsrichtung nennt Schulz von Thun beim Abhängig-Bedürftigen Autonomie und Selbstverantwortung. Eine Veränderung in diese Richtung kann stattfinden, wenn der Abhängig-Bedürftige erkennt, dass er nicht nur passives Opfer ist, sondern Prozesse aktiv selbst gestalten kann. Weiter sollte er lernen, gezielt um Hilfe zu bitten, anstatt sich grundsätzlich als hilflos darzustellen.
Der helfende Stil
Beschreibung
Der helfende Stil stellt sich selbst als stark und belastbar dar und bietet anderen Menschen gerne Hilfe an. Weil er sich mit den Schwächen und Problemen anderer beschäftigt, kann er sich von eigenen Unzulänglichkeiten und Schwierigkeiten ablenken. Mit den schwachen Seiten seiner Persönlichkeit wird er nicht gerne konfrontiert.
Mögliche Herkunft
Möglicherweise wurde der Helfende als Baby in seiner Schwäche und Bedürftigkeit zu viel allein gelassen. Um den Schmerz dieser Erfahrung nicht wieder erleben zu müssen, verdrängt er nun Gefühle der Schwachheit und Abhängigkeit. Zusätzlich hat der Helfende die Erfahrung gemacht, dass er nicht für seine schwachen, sondern seine starken Seiten Liebe und Anerkennung bekommt.
Interaktion mit anderen
Um seine fürsorglichen Anteile ausleben zu können, tritt der Helfende vor allem mit bedürftig-abhängigen Menschen in Beziehung. Diesen begegnet er z.B. in seinem „helfenden“ Beruf (Krankenpflege, Sozialarbeit, Medizin). Dabei besteht die Gefahr, dass er latent zum Komplizen der Probleme dieser Menschen wird. Nur solange die Menschen Probleme haben, brauchen sie seine Hilfe, deshalb motiviert der Helfende sie unterschwellig, ihre Probleme nicht loszuwerden.
Entwicklungsrichtung
Was dem bedürftig-abhängigen Stil fehlt, hat der Helfende: Er hat genügend Selbstvertrauen, um eigenständig Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Allerdings übersteigert er Autonomie und Verantwortung soweit, dass er dabei seine eigene Bedürftigkeit verleugnet. Deshalb besteht der erste Entwicklungsschritt darin, die eigene Schwäche und Bedürftigkeit selbst anzuerkennen, um sie dann in einem zweiten Schritt auch anderen mitzuteilen und ggf. um Hilfe zu bitten. Im Kontakt zu Bedürftig-Abhängigen muss der Helfende lernen, sich innerlich abzugrenzen und ihnen eigene Schritte zuzutrauen.
Der selbst-lose Stil
Beschreibung
Der selbst-lose Stil stellt sich selbst als unwichtig und unbedeutend dar und entwertet sich damit selbst. Nur im Einsatz für andere erkennt er seinen Nutzen. Damit ihn andere nicht ablehnen, möchte er immer das tun, was von ihm erwartet wird und richtet sich völlig nach seinem Gegenüber. Oftmals lädt er sich für andere Lasten auf.
Mögliche Herkunft
Als Kleinkind ist dem Selbst-Losen vermittelt worden, dass er nicht wichtig sei, dass es nicht um ihn gehe. Um die Angst der Ausgrenzung zu überwinden, begann er sich durch andere zu definieren. Indem er anderen diente, bekam er zumindest ein bisschen Anerkennung.
Interaktion mit anderen
Partner des Selbst-Losen ist jemand, der es genießt, wenn sein Ego aufpoliert wird. Dadurch, dass sich der Selbst-Lose klein macht und sein Gegenüber idealisiert, kann dessen Selbstwertgefühl steigen. Aus diesem Beziehungsgefüge kann sich ein Teufelskreis entwickeln, wenn der Partner aggressiv-entwertende Tendenzen hat, die durch den selbst-losen Stil provoziert werden.
Entwicklungsrichtung
Auch der selbst-lose Stil hat im Kern etwas Positives: Es ist die Fähigkeit zur Hingabe zu anderen Menschen, die vor einer herrschsüchtigen Egozentrik schützt. Der Selbst-Lose sollte allerdings versuchen, ein gewisses Maß an Selbstbehauptung und Selbstbeachtung hinzuzugewinnen. So sollte er z.B. lernen, „ich“ und „nein“ zu sagen.
Der aggressiv-entwertende Stil
Beschreibung
Der aggressiv-entwertende Stil erhebt sich über andere Menschen. Um dies zu rechtfertigen, konzentriert er sich auf die Fehler und Schwächen der anderen. Hat er diese entdeckt, nutzt er sie, um sein Gegenüber „klein“ zu machen. Das geschieht aus Angst davor, dass seine eigenen Fehler und Schwächen aufgedeckt werden. Insgeheim hat der Aggressiv-Entwertende mit Minderwertigkeitsgefühlen zu kämpfen.
Mögliche Herkunft
Der Aggressiv-Entwertende hat als Kleinkind wahrscheinlich tief verletzende Demütigungen und auch körperliche Gewalt ertragen müssen. In seinem weiteren Leben möchte er es nun unbedingt vermeiden, erneut in die Position des Schwächeren zu kommen. Deswegen erniedrigt er andere und gesteht sich selbst keine Schwächen ein, um immer überlegen zu sein. Eventuell weist der Aggressiv-Entwertende im Kontakt mit hierarchisch übergeordneten Personen selbst-lose Tendenzen auf. Er buckelt vor ihnen und nimmt ihre Fehler auf sich. Um sein Selbstwertgefühl zu retten, erniedrigt er als Ausgleich dafür Personen, die ihm untergeben sind.
Interaktion mit anderen
Typischerweise findet sich der aggressiv-entwertende Stil entweder in der Interaktion mit einem ebenfalls aggressiv-entwertenden Partner oder einem Gegenüber mit selbst-losen Tendenzen wider. Im ersten Fall versuchen beide durch gezielte Angriffe auf die Schwächen des anderen die Oberhand zu gewinnen und beleidigen sich gegenseitig. Im zweiten Fall fordert der Selbst-Lose durch seine Tendenz sich selbst klein zu machen die Aggression des Aggressiv-Entwertenden geradezu heraus.
Entwicklungsrichtung
Dem Aggressiv-Entwertenden fällt es leicht, sich Respekt zu verschaffen und kritische Dinge beim Namen zu nennen. Sein Verhaltensrepertoire kann er positiv erweitern, wenn er lernt, anderen Respekt zu erweisen und ihnen Lob und Anerkennung entgegen zu bringen. Das kann ihm gelingen, wenn er sich bewusst vornimmt, ab und zu nur die positiven Seiten der anderen zu sehen.
Der sich beweisende Stil
Beschreibung
Der sich beweisende Stil kämpft ständig um seinen Selbstwert. An sich hält er sich nicht für besonders „hochwertig“ und ist daher stets bemüht, sich ins rechte Licht zu rücken. Damit möchte er sich und seine Umwelt von seinem Wert überzeugen und dafür Lob und Anerkennung erhalten. Die Pflege seiner vollkommenen Fassade kostet ihn viel innere Kraft.
Mögliche Herkunft
Als Kind fühlte sich der Sich Beweisende nicht um seiner selbst willen geliebt. Ausgehend von diesem Gefühl kombiniert mit seinem eigenen Ehrgeiz begann er anderen zu beweisen, dass er aufgrund seines Könnens und seiner Erfolge liebenswert ist.
Interaktion mit anderen
Besteht der Kontakt zwischen Menschen des sich beweisenden Kommunikationsstils, entsteht nach außen hin ein regelrechter Wettlauf darin, die eigene Kompetenz unter Beweis zu stellen. Nach innen vergrößert sich der Druck, die eigenen Schwächen und Fehler zu verdecken und „mitzuhalten“. Aber auch eine abwehrende Reaktion auf die Selbstprofilierung des Sich Beweisenden fördert seinen Leistungsdruck. Denn Unsicherheiten wie diese hat er gelernt durch das Herausstellen seiner Kompetenzen zu überwinden.
Entwicklungsrichtung
Der Sich Beweisende scheut sich nicht vor Konkurrenzsituationen und ist sich seiner eigenen Kompetenzen bewusst. Er neigt nicht dazu „sein Licht unter den Scheffel zu stellen“. Jedoch könnte er wesentlich entspannter leben, würde er sich auch zu eigenen Fehlern und Schwächen bekennen. Wagt er es, sein wahres „ungeschminktes“ Gesicht zu zeigen, eröffnet er sich die Chance, um seiner selbst willen geliebt zu werden.
Der bestimmende-kontrollierende Stil
Beschreibung
Der bestimmende-kontrollierende Kommunikationsstil möchte seine Umwelt inklusive seiner Mitmenschen lenken und kontrollieren. Er stellt Regeln auf und fordert von seinen Interaktionspartnern, diese einzuhalten. So möchte er sich vor unvorhergesehenen Überraschungen, Chaos und Kontrollverlust schützen.
Mögliche Herkunft
Menschen, die diesen Kommunikationsstil entwickeln, sind als Kind mit strengen Regeln erzogen und diszipliniert worden. Sie haben gelernt, alle inneren Impulse streng unter Kontrolle zu behalten, um nicht bestraft zu werden. Sie sind zur Überzeugung gelangt, dass nur durch Selbstdisziplin und strikte Regelüberwachung das innere und äußere Chaos vermieden werden könne.
Interaktion mit anderen
Besonders Personen mit bedürftig-abhängigen oder selbst-losen Tendenzen begrüßen die klaren Ansagen des Bestimmenden-Kontrollierenden. Seine Bestimmtheit und Verlässlichkeit geben ihnen Sicherheit, allerdings werden sie auch immer abhängiger von ihm. Wünscht sich der Interaktionspartner des Bestimmenden-Kontrollierenden dagegen Freiheit und Eigenverantwortung, wird er gegen die strengen Regeln des Bestimmenden-Kontrollierenden rebellieren und sie brechen. Was sich zu einem Teufelskreis entwickelt, da der bestimmende-kontrollierende Kommunikationsstil auf diesen Regelbruch mit noch strengeren Regeln und Verboten reagieren wird (z.B. „strenge“ Eltern vs. „rebellische“ Kinder).
Entwicklungsrichtung
Die Stärken des bestimmenden-kontrollierenden Kommunikationsstils sind Struktur, Planung, Selbstkontrolle und Klarheit. Damit der Bestimmende-Kontrollierende nicht einem einengenden Kontrollzwang unterliegt, sollte er aber versuchen, Mut zu Flexibilität, Offenheit und Vertrauen in andere zu entwickeln.
Der sich distanzierende Stil
Beschreibung
Der sich distanzierende Kommunikationsstil ist darauf ausgerichtet, den von ihm benötigten Sicherheitsabstand zu schaffen und zu bewahren. Dem Sich Distanzierenden ist es unangenehm, wenn ihm andere Menschen zu nahe kommen, sowohl räumlich als auch emotional. Er neigt dazu, alles aus einer sachlich rationalen Perspektive zu betrachten.
Mögliche Herkunft
Der Sich Distanzierende hat Angst davor in zu große Abhängigkeit von einem anderen Menschen zu geraten und distanziert sich deshalb lieber von vorne herein. Die Angst vor Abhängigkeit kann entstanden sein, weil es dem (meist männlichen) Kind schwer fiel, sich von seiner Mutter zu lösen.
Interaktion mit anderen
Von anderen Menschen wird der Sich Distanzierende leicht als arrogant und abweisend empfunden. Darauf reagieren sie mit Zurückhaltung und Ablehnung, wodurch sich der Sich Distanzierende unwohl und unwillkommen fühlt und sich weiter zurückzieht. Dadurch wird er immer ungeübter im zwischenmenschlichen Nahkontakt. Konfrontiert ihn ein anderer Mensch mit einem ausgeprägten Bedürfnis nach Nähe, fühlt sich der Sich Distanzierenden aber schnell bedrängt, was auch dazu führt, dass er sich weiter distanziert.
Entwicklungsrichtung
In der Berufswelt ist die Fähigkeit zwischenmenschliche Distanz zu wahren eine wichtige Qualifikation. Allerdings sollte der sich distanzierende Kommunikationsstil hin und wieder authentische Begegnungen von Mensch zu Mensch zulassen, um nicht als unnahbar und unverständlich zu gelten. Für die Arbeit in Teams sollte er darüber hinaus lernen, sich auf seine Kollegen einzulassen und eine gewisse Abhängigkeit von ihnen auszuhalten. Des Weiteren sollte der Sich Distanzierende darin üben, über eigene Empfindungen in Bezug auf sich selbst und andere zu sprechen.
Der mitteilungsfreudig-dramatisierende Stil
Beschreibung
Der mitteilungsfreudig-dramatisierende Kommunikationsstil liebt es, von sich selbst zu sprechen. Ihm passieren immer aufregende Dinge, die er in den schillerndsten Farben erzählt und sich so in den Mittelpunkt katapultiert. Dabei wirken seine Gefühle oft nicht echt, sondern übersteigert. Obwohl er viel von sich erzählt, lässt der Mitteilungsfreudig-Dramatisierende an sein wahres Inneres niemanden heran.
Mögliche Herkunft
Möglicherweise wurde der Mitteilungsfreudig-Dramatisierende als Kind nur beachtet, wenn er mit aller Vehemenz auf sich aufmerksam gemacht hat. Er hat gelernt, alle leisen Gefühle und Empfindungen in laute zu verwandeln. Eventuell fällt es dem Mitteilungsfreudig-Dramatisierenden aber auch schwer in Kontakt mit seinen eigenen Gefühlen zu kommen. Stattdessen inszeniert er sich und spielt Emotionen, um etwas zu fühlen und für sich selbst greifbar zu werden.
Interaktion mit anderen
Zunächst bekommt der Mitteilungsfreudig-Dramatisierende oftmals Anerkennung für seine spannenden Geschichten und Einfälle. Mit der Zeit fühlen sich seine Interaktionspartner jedoch häufig zu austauschbaren Zuschauern degradiert. Wenn sie die Beachtung verweigern, spornt das den Mitteilungsfreudig-Dramatisierenden dazu an, weiter „aufzudrehen“ und sich noch stärker in den Vordergrund zu drängen.
Entwicklungsrichtung
Mit dem mitteilungsfreudig-dramatisierenden Kommunikationsstil kommt keine Langeweile auf, mit Witz und Charme amüsiert er seine Mitmenschen. Diese Stärke findet ihre Balance, wenn er lernt, ein wahres Interesse an seinen Interaktionspartner zu entwickeln und sich im richtigen Moment zurückhalten kann, um sich auf sie einzulassen.